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GEFÄHRLICHE STOFFE | 10
ten deutliche Rötungen unter den Achseln und Ver- schließen konnte, dass es sich bei dem gefundenen
ätzungen an der Haut – durch das giftige Chlorgas. Pulver tatsächlich um hochgefährliche Anthrax-Spo-
Dies war eine wichtige Lektion, welche die Feuer- ren handelte, wurde die Stadtfeuerwehr Pinkafeld
wehrleute lernten und noch heute jedem präsent mit dem Körperschutzfahrzeug zur Dekontaminati-
ist: Nach jedem Schadstoffeinsatz ist zu duschen on gerufen. Hier bewährte sich erstmals die Deko-
und die Kleidung zu wechseln! schleuse unseres Körperschutzfahrzeuges. Nachdem
ein Sichtschutz rund um den Einsatzort aufgebaut
Rasch wurde der Nutzen des Körperschutzfahrzeu- war, wurden die vermeintlich kontaminierten Perso-
ges auch im Landesfeuerwehrverband erkannt und nen entkleidet und im Körperschutzfahrzeug dekon-
ein zweites KSF für den Landesnorden angeschafft. taminiert. Glücklicherweise stellte sich nach der
Dieses wurde bei KFZ Simon in Pinkafeld unter An- Analyse des weißen Pulvers heraus, dass es sich nur
leitung der Pinkafelder Feuerwehr gebaut und nach um ein ungefährliches Talkpulver handelte. Glück für
Fertigstellung in Eisenstadt stationiert. Während alle Beteiligten!
die FF Eisenstadt alleine den Stützpunkt Nord stell-
te, teilten sich die Feuerwehren Oberwart und Pin-
kafeld diese Aufgabe für den südlichen Landesteil.
In gemeinsamen Übungen und Schulungen mit den
neuen Fahrzeugen – unterstützt durch den Ausbil-
dungsleiter des Landesfeuerwehrverbandes Gott-
fried Zalka und den Landesfeuerwehrchemiker Ing.
Andreas Braunstein – konnte sich der Gefährliche-
Stoffe-Zug das notwendige Wissen bei Chemieun-
fällen rasch aneignen. Nicht allzu viel später kam
die erste Bewährungsprobe. Am 20. Oktober 1997
wurde der Gefahrgutzug Süd zu einem Gefahrgut-
einsatz am Grenzübergang Schachendorf alarmiert.
Bei der Kontrolle eines Tankwagens – beladen mit
einer ätzenden und brennbaren Flüssigkeit – wurde
festgestellt, dass an der Oberseite des Mehrkam-
merfahrzeuges beißender, weißer Rauch entwich.
Unter Verwendung von Chemieschutzanzügen
konnte der lecke Domdeckel soweit abgedichtet
werden, dass eine Weiterfahrt zu einem gesicherten
Abstellplatz, wo das Produkt umgepumpt werden
konnte, möglich war. Der erste große Einsatz des
Gefahrstoff-Zugs Süd konnte somit erfolgreich er-
ledigt werden.
2001 hatte die Feuerwehr Pinkafeld einen Einsatz mit
vermeintlichen Bio-Waffen zu meistern. Zu dieser
Zeit waren in den USA mehrere Anschläge mit An-
thrax-Sporen, einem weißen Pulver mit Milzbrander- Anthrax-Alarm 2001
regern, verübt worden. Die Anthrax-Hysterie
schwappte auch nach Europa über, die österreichi- In den darauffolgenden Jahren war das Einsatzauf-
schen Behörden riefen zu besonderer Aufmerksam- kommen bis auf kleinere Schadensereignisse eher
keit bei weißem Pulver unbekannter Herkunft auf. gering, die Zeit wurde für Übungen – unter anderem
Genau solch eines wurde bei einer Warenlieferung im Strahlenschutz – genutzt.
beim Pinkafelder NKD am Hauptplatz gefunden. Der
herbeigerufene Amtsarzt wies das Personal und die Im Juli 2009 wurde Martin Ulreich mit der neu ge-
Kunden an, das Geschäftslokal nicht zu verlassen. schaffenen Funktion des Bezirksreferenten für Ge-
Der Hauptplatz wurde von der Polizei abgesperrt und fährliche Stoffe im Bezirksfeuerwehrkommando
ein ABC Trupp des Bundesheeres aus Eisenstadt an- Oberwart betraut. Er organisierte den Gefährliche-
gefordert. Da dieser bei der Erkundung nicht aus- Stoffe-Zug SÜD neu und initiierte die Etablierung der
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