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10 | GEFÄHRLICHE STOFFE
Gefährliche Stoffe von Martin Ulreich
ie Stadtfeuerwehr Pinkafeld ist „Stützpunkt Dieses einschneidende Er-
SÜD für Gefährliche Stoffe Einsätze“ und eignis war Anlass für den
Ddeckt mit dem GSF (Gefährliche-Stoffe- damalige Feuerwehrkom-
Fahrzeug) und dem KSF (Körperschutzfahrzeug) die mandanten von Pinkafeld
höchste Alarmstufe G3 für die Bezirke Oberpullen- und Bezirksfeuerwehr-
dorf, Oberwart, Güssing und Jennersdorf ab. Von inspektor Ernst Kleinrath,
Beginn an hat die Feuerwehr Pinkafeld die Entwick- gemeinsam mit Feuerwehr-
lung des Schadstoffwesens im Burgenland geprägt. kameraden ein Körperschutzfahrzeug zu planen, wel-
ches für die Ausrüstung und Versorgung der Einsatz-
Während es in den frühen Jahren der Feuerwehr kräfte und Dekontamination nach dem Einsatz dienen
keine oder meist nur einfache Schadstoffeinsätze sollte. Gemeinsam mit dem Gefährliche-Stoffe-Fahr-
gab, wuchs mit der wirtschaftlichen Entwicklung zeug, in welchem die Ausrüstungsgegenstände wie
des Burgenlandes und dem erhöhten Verkehrsauf- Abdichtmaterialien, Auffangbehälter und Pumpen
kommen nach Öffnung der Grenzen die Gefahr von beinhaltet waren, sollte das Körperschutzfahrzeug das
Unfällen mit gefährlichen Stoffen. Der Landesfeu- bestehende Ausrüstungskonzept komplettieren.
erwehrverband beschaffte daher zwei Gefährliche-
Stoffe-Fahrzeuge, welche 1989 in Oberwart und ein So entstand auf Initiative der Feuerwehr Pinkafeld
Jahr später in Eisenstadt stationiert wurden. das erste Körperschutzfahrzeug in Österreich. Da es
anfänglich keine Unterstützung seitens des Landes
Für die Feuerwehren im Burgenland stellte am gab, wurde ein gebrauchter MAN 9x18 LKW in Ei-
27. Oktober 1990 der Austritt von giftigem Am- genregie im Feuerwehrhaus Pinkafeld zu einem
moniak aus der seinerzeit gerade erst errichteten Körperschutzfahrzeug umgebaut. Revolutionär zu-
Kunsteislauf ahn in Pinkafeld einen wesentlichen dieser Zeit war der Einbau einer Dekoschleuse, wel-
Meilenstein im Schadstoffwesen dar. Bei Beton- che im hinteren Teil des Kastenauf aus errichtet
schneidarbeiten wurde eine Ammoniak-Kühlleitung wurde und über eine Ladebordwand begangen wer-
so sehr beschädigt, dass tief altes, giftiges Ammo- den konnte. 1994 wurde das Körperschutzfahrzeug
niak unkontrolliert austrat. Teile von Pinkafeld im Rahmen eines Festaktes in Pinkafeld gesegnet.
mussten geräumt werden, die Bevölkerung wurde Just am Tag der Segnung – kurz vor Beginn der Fei-
mit Lautsprechern gewarnt. erlichkeiten – kam es zu einem Chlorgasaustritt im
Hallenbad Pinkafeld. Undichte Chlorgasflaschen
Da die burgenländischen Feuerwehren für solche kamen zu dieser Zeit öfters vor, meist wurden die
Chemieunfälle unzureichend ausgerüstet waren, Flaschen von den Bademeistern unter oft gefährli-
mussten geeignete Schutzanzüge von der Berufs- chen Umständen selbst abgedreht. Dieses Mal ge-
feuerwehr Wien eingeflogen werden. staltete sich die Situation schwieriger, sodass etwa
zwei Stunden vor Beginn des Festaktes einige Feu-
erwehrmitglieder mit dem neuen Fahrzeug zum
Hallenbad ausrückten, um die Flaschen abzudich-
ten. Da die Zeit drängte und die Gefährlichkeit von
Chlorgas auch unterschätzt wurde, entschied man
sich, nur die Schutzanzüge der Schutzstufe 2 und
nicht die gasdichten Anzüge der Schutzstufe 3 an-
zuziehen. Der Einsatz konnte rasch bewältigt wer-
den, man rückte noch rechtzeitig zum Festakt ein.
Bedauerlicherweise war auch nicht die Zeit, sich
nach dem Einsatz zu duschen und die Kleidung zu
tauschen, waren doch die meisten bereits mit der
braunen Festtagsuniform unter der Einsatzbeklei-
dung ausgerückt. Am nächsten Tag zeigte sich dann
Ammoniak-Austritt 1990 der Fehler: Die Männer in den Schutzanzügen hat-
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