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3 | GESCHICHTE DER STADTFEUERWEHR PINKAFELD



             BERICHT ÜBER DEN GIFTGASUNFALL                      wegen des zu hohen Druckes und der großen Kälte
                                                                     o
             IN PINKAFELD 1990                                   (-20   C) im Austrittsbereich mißlang. Als dann we-
             („DIE WEHR 12/1990“)                                nig  später;  nach  Schließen  aller  Ventile  –  nur  der
                                                                 Rücklauf blieb offen —, der Druck nachließ, versuch-
             Ein nebelig-trüber Tag. Samstag, 27. Oktober 1990,   ten wir nochmals das Leck abzudichten und es ge-
             8.00 Uhr: Im Eilzugstempo wird an der Fertigstel-   lang. Das Leck war mit Holzkeilen und Lehm provi-
             lung des Sportzentrums gearbeitet. Ein ganz eifri-  sorisch abgedichtet. Die Gefahr war somit gebannt
             ger  Mitarbeiter  der  Firma  Lehner  schneidet  beim   und wir konnten entwarnen.
             Ausputzen einer Dehnungsfuge die Kühlleitung der
             Kunsteisbahn an. Ein Leck entsteht und Ammoni-      Während  unserer  Einsatztätigkeiten  wurden  seitens
             ak tritt unter Druck (zirka 20 bar) aus. Der Arbeiter   der  Bezirkshauptmannschaft  Spezialisten  aus  Wien
             wird verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Die Feu-  (Berufsfeuerwehr)  bestellt.  Wegen  der  schlechten
             erwehr wird über 122 (Notruf läuft zur Zeit bei der   Witterung mußte der Transporthubschrauber in As-
             örtlichen Gendarmerie auf) verständigt.             pang notlanden und so kamen sie mit großer Verspä-
                                                                 tung mit der FF Aspang (KLF) bei uns an. Die Männer
             Alarmierung:                                        der  Berufsfeuerwehr  Wien  stellten  uns  Vollkörper-
             Die  Stadtfeuerwehr  Pinkafeld  wird  mit  stillem   schutzanzüge mit Kälteunterwäsche zur Verfügung,
             Alarm  alarmiert  und  20  Mann  fahren  mit  dem   und wir verbesserten unsere Abdichtung mit Schnell-
             KDOF TLF und 2 KLF zur Unfallstelle aus. Beim Ein-  binderbeton, mit dem ein absperrbarer Stahlflansch
             treffen haben die Beschäftigten der Baustelle (Un-   befestigt wurde. Unter Einsatz eines Be- und Entlüf-
             fallstelle)  das  Objekt  bereits  verlassen  und  befin-  tungsgerätes wurde das austretende Gas abgesaugt.
             den sich in Sicherheit.                             Um ca. 17.00 Uhr konnte der Einsatz beendet werden.
                                                                 Natürlich wurde das Areal bis zum nächsten Tag be-

             Lage:                                               wacht und die Leckstelle auf Dichtheit überprüft.
             Trotz der raschen Alarmierung und des relativ kur-
             zen Anfahrtsweges können wir das Gas bereits am     Zusammenfassung:
             ganzen Areal riechen. Aus sicherer Entfernung se-   Die Anlage war bereits in Betrieb, aber es gab noch
             hen wir, daß Ammoniak mit einer 10 m hohen Fon-     keinen Mann, der mit der Anlage vertraut war. Im
             täne austritt. Als Sofortmaßnahme wird ein ATS-     Betrieb  waren  keine  spezifischen  Schutzausrüstun-
             Trupp  eingeteilt,  der  alle Ventile  abdreht  und  das   gen wie Meßgeräte, Schutzanzüge usw. vorhanden.
             Gebäude durchsucht und stromlos macht.              Unsere  Einsatzorganisationen  sind  gegen  Chemie-
                                                                 unfälle noch immer unzureichend ausgerüstet. Die

             Beurteilung-Entschluß:                              erforderlichen  Katastrophenschutzpläne  zum  Bevöl-
             Da wir den Gasaustritt nicht in den Griff bekommen   kerungsschutz fehlen weitgehend.
             können  und  die  Gaswolke  sich  weiter  ausbreitet,
             wird  das  Landesfeuerwehrkommando,  die  Stadt-    Bleibt  abschließend  die  Frage  offen:  Schaffen
             feuerwehr  Oberwart  mit  den  Schutzanzügen  und   wir  die  Wende  oder  wächst  uns  die  Chemie
             die  Behörde  (Bürgermeister,  Bezirkshauptmann,    langsam über den Kopf?
             Chemiker) verständigt. Über Funk erhalten wir vom
             Landesfeuerwehrkommando  aus  der  Gefahrengut-
             datenbank die notwendigen Auskünfte für die Ein-
             satzmaßnahme.  Bis  zum  Eintreffen  der  Behörden-
             einsatzleiter  sperren  wir  das  Gelände  großräumig
             ab.  Anschließend  wird  auch  die  Bevölkerung  mit
             Lautsprechern gewarnt. Auch Riedlingsdorf wird in
             die  Warnung  eingeschlossen.  Bei  der  anschließen-
             den Krisensitzung (Behörde – Feuerwehr – Chemi-
             ker)  wurde  beschlossen,  Erfahrungsberichte  ähnli-
             cher  Einsätze  einzuholen.  Es  konnte  leider  nichts
             zielführendes erfahren werden. So wurde beschlos-
             sen,  unter  dem  Schutz  der  Gasschutzanzüge  mit
             Keilen  das  Leck  zu  schließen,  was  beim  erstenmal       Dekontamination der Schutzanzugträger


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